Am Nachmittag...
Die Kaiserin der Amazonen war einfach zu finden. Man traf sie dieser Tage oft in Silberburg. Sie hatte alle Hände voll zu tun, schließlich galt es ein Schiff für eine Reise fertig zu machen, deren Dauer man noch nicht abschätzen konnte. Mehr noch und das war an ihrem Gesicht deutlich zu erkennen, galt es aber, ein ganzes Volk zu retten und in Sicherheit zu bringen. Eine schwere Bürde, die ihre Spuren hinterließ. Dennoch trug sie ihre Aufgabe mit Stolz und einer Anmut, die ihresgleichen suchte.
In diesem Sinne waren ihre Aufgaben recht ähnlich. Auch sie selbst hatte, in gewisser Weise, ein Volk zu retten und für deren Sicherheit zu sorgen.
Livius und sie fanden die Kaiserin am Brunnen in Silberburg vor, an dem sie sich eine kurze Rast gönnte.
Schnell kam man auf die wichtigen Dinge zu sprechen und so machte man sich auf den Weg, das Schiff der Amazonen zu inspizieren.
Auch wenn das Schiff deutlich kleiner als die Echidna war, machte es das mit der der Amazonen eigenen Eleganz locker wieder wett.
Unter Deck fand man rasch ein Plätzchen, der für ihr Vorhaben geeignet schien.
Hier sollte ihr Kleinod seinen Platz finden. Gut verpackt und vertäut war sie sich sicher, dass der Kristall so seine Reise überstehen würde.
Auch sie selbst würde mit den Amazonen reisen. Das war, zu ihrer großen Erleichterung, für Niriel gar keine Frage. Sie hatte nicht unerheblichen Anteil daran gehabt, dass die Amazonen überhaupt dieses Schiff bauen konnten. Von ihr stammte fast das ganze Holz, aus dem fähige Hände in sicher mühevoller Arbeit dieses Wunder der Handwerkskunst erbaut hatten.
Mehr noch wog aber, dass die Amazonen und sie bereits eine langanhaltende, tiefgreifende Freundschaft verband. Dies zusammen genügte der Kaiserin vollauf, um sie für die Reise an Bord zu bitten. Eine Einladung, die sie gerne annahm. Somit konnte sie gleich zwei dringende Punkte von ihrer Vorhabenliste streichen.
Nach Klärung aller Details verabschiedete man sich voneinander. Jeder von ihnen hatte noch reichlich Arbeit vor sich, die es zu erledigen galt. Bis nicht jeder seine Habe und sich selbst sicher an Bord eines Schiffes wusste, war an größere Verschnaufpausen nicht zu denken.
Des Abends...
Schnurstracks vom Anleger der Schiffe führten sie ihre Schritte zur verborgenen Höhle. Dort warteten bereits helfende Hände auf sie.
Alles war vorbereitet, nur wenige Worte mussten gesprochen werden. Allen war die Dringlichkeit und Wichtigkeit der Aufgabe gewiss.
Vorsichtig wurde der Kristall von seiner angestammten Position angehoben und auf einen gepolsterten Karren gehievt.
Das kleine Stückchen aus der Höhle, den schmalen Gang hinauf, bis an der Pferdefuhrwerk, waren Drecksarbeit. Der ein oder andere Fluch fand seinen Weg über die Lippen in die Welt hinaus.
Auf dem Fuhrwerk wurde der Kristall unter reichlich anderen Fässern, Ballen und sonstigem Gerümpel verladen.
Mit gemächlichem Tempo, der wertvollen Fracht geschuldet, machte man sich zusammen auf den Weg aus dem Gebirge zum Liegeplatz des Schiffs.
Für Heimlichkeit, wie es sonst oberstes Gebot für die Ihren war, musste kaum gesorgt werden. Nicht nur war der Kristall gut verpackt und somit vor blicken geschützt. Er ruhte auch auch der Ladefläche unter den anderen Gütern versteckt.
Auch half es nicht unerheblich, dass sie sich schon weit vor Silberburg in sich bildende Kolonne von weiteren Fuhrwerken, Karren und Flüchtenden einreihen konnten, die den Weg zu den Schiffen suchten.
Somit waren sie schlicht ein weiterer Wagen in einer langen Reihe, die durch Silberburg und dessen Gassen rumpelten.
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An den Schiffen angelangt war es fast ein Kinderspiel, den Kristall an Bord des Schiffes und dann unter Deck an seinen angedachten Platz zu bugsieren. Geschäftiges Treiben allenthalben ringsum ließ ihr Tun im allgemeinen Gewusel nebensächlich wirken.
Die an Bord befindlichen Amazonen hatten entsprechende Instruktionen erhalten und ließen das bunte Grüppchen, worunter sich auch einige Männer befanden, unbehelligt arbeiten. Die Männer wurden zwar argwöhnisch beäugt, damit lies man es aber dann auf sich beruhen.
Wenig später war der Kristall zu aller Zufriedenheit im Bauch des Schiffes der Amazonen verstaut.
Hier sollte er die Reise überdauern, um dann hoffentlich bald in neuen Gestaden einen sicher Platz zu finden.
In der Nacht...
Im Lager an den Anlegern herrschte durchgehende Betriebsamkeit.
Dennoch gab es ein kleines Lagerfeuer der Amazonen, an denen sich einige ausruhten.
Sie gesellte sich zu ihnen. Niriel hatte darum gebeten, schließlich gab es reichlich jüngere und auch einige gestandene Amazonen, die sie noch nicht kannten.
Wenn man für eine unbestimmte Zeit auf einem Schiff zusammen über die Weiten der Meere segeln würde, wäre es recht hilfreich, sich im Vorfeld etwas besser kennen zu lernen.
Zumindest einmal sollte man die Scheu voreinander verlieren.
So sprach sie dann an dem kleinen Feuerchen mit den Kindern der Löwin und knüpfte erste Bande.
Sie konnte recht schnell die anfängliche Distanz überbrücken und deutlich machen, dass sie keine Fremde war und durchaus eine Bereicherung für die Reise sein konnte. Und wenn es nur dafür gut war, mit Geschichten aus alten Zeiten die Langeweile an Bord zu vertreiben.
Noch lange saßen sie beisammen, die einen kamen, die anderen gingen. Es wurde über die kommenden Herausforderungen gesprochen, über Befürchtungen und Vermutungen.
Allein eine einzige Sache fehlte am Lagerfeuer der Amazonen gänzlich. Angst. Keine hatte die Angst, dass es hier enden würden.
Und auch sie hatte nach den vergangenen Tagen, Wochen und Monaten die Angst verloren. Sie war sich nun sicher, dass sie einen Weg in eine neue Welt finden würden.
Sie hatten das möglichste getan, alles dafür vorzubereiten. Der Kristall war sicher verpackt und verstaut. Und sie war sich ebenso sicher, dass ein jeder der Ihren einen Platz auf einem der Schiffe finden konnten.
Sie würden sich wieder finden. Das Werkzeug dazu ruhte nun an Bord des Schiffs der Amazonen.