Der Sturm
Um auf eines der Flottenschiffe des Reiches zu kommen, musste der Neuankömmling, wie alle anderen auch, das Knie vor der Führungsriege beugen.
Das Knie zu brechen, war ein geringer Preis dafür um von der, zum Untergang gweihten Welt, runter zu kommen und somit am Leben bleiben zu können.
Er bekam eine dreckige Ecke auf dem Schiff, die er sich mit Allerlei Weide und Nutzvieh teilen musste.
Die Mannschaft des Schiffes gab ihm unmissverständlich zu verstehen, genauso leicht wie sie ihn aufs Schiff gelassen haben, konnten sie ihn auch wieder über Bord werfen.
Ihm war das nur Recht. Hier und da packte er zwar mit an, versuchte sich aber so unauffällig wie möglich zu verhalten.
Die Wochen an Bord waren meist belangloser Alltag und die Nächte verbrachte der Passagier immer am Bugdeck des Schiffes.
Dort hatte er seine Ruhe und konnte Pläne ersinnen. Er würde sich auf dem prophezeiten Eiland einen Namen machen müssen.
Es gab so viele Möglichkeiten an Gold, Macht und Ruhm zu kommen - er musste nur zugreifen!
Doch das Schicksal hatte anderes mit ihm vor und täuschte mit dieser Idylle – sie war die Ruhe vor dem Sturm.
Zuerst waren es nur einige peitschende Wellen, dann ein lautes Grollen, das sich in die Dunkelheit stahl und den Passagier aus dem Schlaf riss.
Blitz und Donner durchzuckten die Nacht und trieben selbst ihm das Gefühl der Unruhe durch Mark und Bein. Gnadenlos wurde das Schiff von den gigantischen Wellen umhergeworfen.
Die gebrüllten Kommandos der Offiziere wurden vom Grollen der See regelrecht verschlungen.
Mit all seinen Kräften kämpfte sich der Reisende übers Deck – sein Ziel war die Luke die zum Unterdeck führte.
Das Tosen der Wellen und die Schreie jener Unschuldigen Seelen, die von den riesigen Wellen von Bord gespült wurden, wurden immer wieder von einem ohrenbetäubenden Donnern des Himmels durchrissen.
Seine massigen Hände packten die Griffe der Lukentür und rissen an diesen. Sie war verschlossen!
"Verfickte SCHEISSE macht die Tür auf!"
Wütend rüttelte der an der massiven Tür, doch sie gab keinen Zentimeter bei.
"ICH BRING EUCH ALLE UM!!"
Seine Hände, zu droschen auf das hölzerne Hindernis, doch außer einem
" … VERECKEN SOLLST DU!" drang nichts nach außen.
Um sein Überleben kämpfend hetzte er über das Deck. Irgendwo musste er ein Seil finden um sich an den Mast, oder an die Reling zu binden.
Doch es war zu spät! Eine riesige Welle umschlang das Schiff, und wirbelte den massigen Körper des Passagiers wie einen Spielball herum.
Der eisige Griff der See umfasste ihn und zog ihn in die Tiefe. Doch Zorn und Wut trieben ihn an, gegen die Gezeiten des Meeres und gegen den unbarmherzigen Sturm anzukämpfen.
Er würde nicht wie ein räudiger Straßenköter absaufen!
Seine Arme schleuderte er nach links und rechts, in der Hoffnung irgendein Treibgut fassen zu können, dass ebenfalls von den Wellen von Bord gerissenes wurde.
Nur schemenhaft konnte er vor sich ein Fass erkennen, an das sich eine verzweifelte Seele klammerte und aus Leibeskräften um Hilfe schrie.
Alsbald verstummten die Schreie des Schiffbrüchigen, denn ohne Mitgefühl wurde er vom Fass gerissen und in der Dunkelheit des Meeres ertränkt.
In so einer Situation war sich jeder selbst der Nächste – Fressen, oder gefressen werden.
Wie lange trieb der Mörder, ans Fass geklammert, im offenen Meer herum … Stunden, Tage …. ?
Eine karge Insel, die er in der Morgendämmerung am Horizont erblickte, wurde für die nächsten Monate seine Rettung!
War diese Insel tatsächlich seine Rettung, oder doch nur ein Gefängnis?
Der Hunger, der Wahnsinn, der Neubeginn
Die Insel war mehr ein Fleck im Meer, karg und unbewohnt.
Es gab nur ein paar Bäume, mickrig und verkrümmt vom Wind und eine handvoll Steine, die über das sandige Land verstreut waren.
Zunächst schaffte er es, einige Muscheln zu sammeln und das Regenwasser in den tiefen Furchen der Felsen aufzufangen.
Die Tage wurden zu Wochen, und bald merkte er, wie sein Körper, der einst hünenhaft und kräftig war, immer mehr an Masse und Stärke verlor.
Sein Gesicht, sonst so grob und scharfkantig, wirkte eingefallen und leer. Hunger und Verzweiflung ließen ihn schließlich alle Scheu verlieren.
Der Inselbewohner verzehrte Insekten, Kräuter und Fische, die er mühsam mit bloßen Händen fing.
Doch je mehr er sich dem Überlebenswillen hingab, desto mehr verblasste sein früheres Äußeres.
Seine Muskeln schwanden, seine Haut, von der salzigen Meeresluft ausgedorrt und der unbarmherzigen Glut der Sonne ausgesetzt spannte sich dürr über seine Knochen.
Der einst großwachsene Körper verkümmerte zu einer hageren Figur. Es war aber nicht nur sein Körper, der sich veränderte.
Der erbarmungslose Kampf gegen die Widrigkeiten und die endlose Isolation begann an seinem Geist zu nagen.
Zu Beginn hatte er noch mit sich selbst gesprochen, in der Hoffnung, dass sein Name allein ihn von dieser gottlosen Insel retten würde.
Doch je länger er allein war, desto mehr verschwamm seine Vorstellung von der Welt draußen.
Die verzehrende Einsamkeit ließ ihn in finstere Halluzinationen gleiten, in denen er überall lebendige - schemenhafte Formen sah.
Sie wuchsen aus jeder Lichtquelle, aus jeder Felsspalte, aus jedem Stein und jedem geworfenen Schatten. Die Trugbilder labten sich am schwindenden Verstand des Gestrandeten und der Wahnsinn wandelte die Nächte in eine erbarmungslose Hatz. Die schemenhaften Illusionen waren die Jäger und er … der Gejagte. Gnadenlos forderte die Hatz ihren Tribut.
Unter der Last des Geistes und am Ende seiner Kräfte brach er schließlich zusammen.
Die illusorischen Schatten hatten ihn eingeholt, schlangen sich flüsternd um seinen Körper - Malekar Mortis … Malekar Mortis … Malekar Mortis.
Im Wahn gefangen versuchte er diese Schatten von seinem Körper zu reißen.
Seine Finger gruben sich dabei tief ins eigene Fleisch und rissen klaffende Wunden auf - vernarbten sein Gesicht und seinen Körper.
Sein altes Äußeres war nicht mehr wieder zu erkennen. Der Irrsinn und die Schatten verschlangen alles von ihm - seinen Körper, seinen Geist, seinen Verstand und seine Seele.
Unaufhörlich flüsterten sie dabei den Namen – Malekar Mortis.
Danach folgte die Stille … .
Die Einsamkeit und das stetige Siechen hatten ihn an den Rand des Wahnsinns und weit darüber hinaus getrieben.
Nachts saß er schweigend am Strand, starrte auf die Wellen und schwor sich, das Licht der Welt in die Dunkelheit zu stürzen, sollte er jemals lebend von der Insel entkommen.
Doch während er immer mehr zur Kreatur wurde, die bloß ums Überleben kämpfte, hatte er begonnen, die Natur der Insel aufmerksam zu beobachten.
Dabei fiel ihm auf, dass nachts seltsame, große schwarze Vögel am Himmel kreisten, als würden sie ihn in einem unheimlichen Ritual bewachen.
Waren sie echt, oder waren sie doch nur Bilder seiner Wahnvorstellungen, vielleicht schwarze Boten des Namenlosen ?
Das Gefieder der Vögel war schwarz wie die Dunkelheit und sie hatten glühende blutrote Augen.
Der Schwarm landete nie auf der Insel, sondern blieb stets knapp über dem Wasser.
Ein Gedanke formte sich in Malekars Verstand - was wäre, wenn er den Vögeln folgen würde? Sie flogen immer in der Dämmerung über das Eiland und kehrten dann in die Ferne zurück.
In der Richtung musste es also noch eine Insel geben. Am folgenden Morgen begann er, einen Floss aus Ästen, Ranken und dem angespülten Treibgut auf der Insel zu bauen.
Wenn die Vögel ihm keine Flucht ermöglichten, würde er mit ihnen untergehen.
In der Dämmerung stieg er auf das wacklige Floss und stieß sich von der Insel ab, die ihm monatelang das Leben vergiftet hatte. Er ließ sich vom Wasser treiben und wartete darauf, dass die Vögel über ihm kreisten. Langsam erhob sich der Schwarm und schien ihm den Weg zu weisen.
Malekar folgte den unheimlichen Kreaturen, die wie Schatten durch den Himmel glitten, und trieb mit den Strömungen des Meeres hinfort.
Nach endlosen Nächten und Tagen erreichte er endlich die Küste eines ihm unbekannten Landes.
Er war am Ziel und die Schattenvögel, die ihn geführt hatten, verschwanden ohne ein Geräusch.
Endlich hatte die gebrandmarkte Seele festen Boden unter den Füßen.
Tage und Wochen vergingen, die Malekar dazu nutzte um sich in seiner neuen Heimat zurecht zu finden.
Nicht mehr lange und er würde seinen Schwur einlösen ... .
... ein neues Land ...
- Malekar Mortis
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