Bjornar
Bjornar
Bald nach der Brandnacht,
irrte der Junge,
verlassen von allem,
im dunklen Forst.
Keine Stimme rief ihn,
keine Hand hielt ihn,
nur der Wind strich
über kahle Wangen.
Die Wälder rauschten
wie Stimmen vergangen,
Blätter flüsterten
in endlosen Kreisen.
Da trat aus Schatten
eine Gestalt, gewaltig,
eine Bärin, schwarz wie die Nacht
und schwer wie die Erde.
Mit Pranke und Atem,
mit warmem Brummen
nahm sie ihn an
in die stille Wildnis.
Beeren teilte sie,
Wurzeln brach sie,
und in ihrer Nähe
wurde der Wald zum Heim.
Re: Bjornar
Bjornars Klage um die Drei
Die Geister schwiegen
in graugrimmen Hallen,
die Winde trugen
kein Wort des Trosts.
Fiskhopp, der Flinke,
fiel in die Fluten,
Lillebjørn, der Große,
zerriss der Sturm.
Halstrekk, der Stolze,
stand nicht im Tale,
sein Hals, einst hoch,
lag nun im Grau.
Vindfru schwang sich
durch schwarze Lüfte,
die Schwingen grausig,
die Krallen rot.
Bjornar kniete,
der Boden kalt,
sein Blick gen Himmel,
doch keine Antwort.
"Geister, die walten,
wo ist eure Gnade?
Meine Freunde, gefallen,
der Wald ward leer."
Die Geister schwiegen
in graugrimmen Hallen,
die Winde trugen
kein Wort des Trosts.
Fiskhopp, der Flinke,
fiel in die Fluten,
Lillebjørn, der Große,
zerriss der Sturm.
Halstrekk, der Stolze,
stand nicht im Tale,
sein Hals, einst hoch,
lag nun im Grau.
Vindfru schwang sich
durch schwarze Lüfte,
die Schwingen grausig,
die Krallen rot.
Bjornar kniete,
der Boden kalt,
sein Blick gen Himmel,
doch keine Antwort.
"Geister, die walten,
wo ist eure Gnade?
Meine Freunde, gefallen,
der Wald ward leer."
Re: Bjornar
Haunselohs Tanz
Aus Feuern geboren,
vom Zorn genährt,
wurde ich geschmiedet,
scharf und stark.
Solveigs Hammerschlag
gab mir Leben,
Tarabaschs Grimm
erfüllte mein Herz.
Thjondar trug mich,
weiser Krieger,
doch die Hand, die mich führt,
ist nie allein.
Bjornar kam,
ein kühner Knabe,
griff mit zitternder Hand nach mir.
"Waffen dürsten nach Blut,
nicht nach Worten,"
sprach ich leise,
wie Stahl, der singt.
Er führte mich fort
im Griff des Zorns—
doch wer führt wen,
wenn Haunseloh tanzt?
Windfrauen kreischten,
Wolken sanken,
Sturm zerriss die schweigende Nacht.
Ich sang im Wind,
spaltete Fleisch,
trank von der Furcht,
entriss Leben.
Der Junge zauderte—
Narr im Kampf!
Sein Zögern füllte ich
mit meinem Wahn.
Rashkas Ruf verklang bald,
mein Stahl fuhr nieder
durch Treue und Fleisch.
Blodkova brüllte,
Tatzen schlugen,
Freundesblut floss,
Bärenblut strömte,
wie Quell im Berg.
Der Junge weinte,
sein Griff erstarb,
doch ich—oh ich—
ließ nicht los!
Thjondar kam,
der Starke, der Weise,
zwang mich zum Schweigen,
riss mich fort.
Sein Griff wie Fels,
mein Lied erstickt.
Doch leise lieg ich
und lausche still
auf den Tag,
da Bjornar ruft,
und ich ihn führe
zum Bluttanz, zum Krieg!
Ritual der Reinigung
1.
Es war sein Wald und sein Reich, und sie hatten ihn all die Jahre allein gelassen. Die Bäume standen im dunstigen Licht, der Boden feucht unter seinen Klauen. Er war alt, der Schwarzbär, und sein Pelz war stumpf wie die grauen Steine im Fluss. Er schnaufte, witterte die Stille. Einst hatte er Jäger in die Flucht geschlagen, tiefe Narben hinterlassen. Er kannte dieses Land bis in die Knochen. Aber an diesem Morgen lag etwas in der Luft, eine Regung, die ihm das Fell am Nacken kräuselte. Er hob die Schnauze. Nichts. Kein Laut, kein Geruch. Doch das Gefühl blieb. Etwas war im Kommen.
2.
Er hörte ihn, bevor er ihn sah. Ein Junge mit leisen Schritten, kein Scheppern von Metall. Einen Barbaren und doch anders. Als der Knabe aus dem Dickicht trat, wirkten seine Augen hellwach. Keine Angst in ihnen. Der Bär knurrte, richtete sich auf, warnte mit gesträubtem Fell. Der Junge aber kam näher. Er ging voran und wandte ruhig den Blick ab, als spräche er eine Sprache des Waldes, die kein Mensch je gekannt hatte. Der Bär brüllte, schlug aus mit der Pranke. Der Junge sprang beiseite, fauchte, als wäre er ein wilder Hund. Sie rangen. Sie stürzten zu Boden. Der Bär riss dem Jungen das Fellzeug von der Brust, doch der Mensch wich nicht zurück. Blut lief, beide keuchten. Schließlich lagen sie im dichten Moos, das Herz des Bären pochte laut, das Herz des Jungen hämmerte im Takt. Und inmitten des rauen Atems fühlte der Bär jenen unerwarteten Funken. Respekt. Vielleicht sogar etwas wie Verbundenheit.
3.
Trotz aller Vorsicht folgte der Bär dem Jungen hinaus aus dem Wald, in das Dorf hinter hölzernen Wällen. Fremdes Volk. Feuerstellen und der Geruch nach altem Blut. Doch in ihrer Mitte stand ein Mann, hochgewachsen, die Augen so ruhig wie ein stiller Tümpel. Sein Mantel aus Fellen und Knochenketten raschelte im Wind. Er sprach mit leiser Stimme, doch sein Blick ruhte auf dem Bären, als sähe er mehr als nur ein Tier. Dies war Haldron, der Schamane. Er wies auf eine Axt am Altar. Haunseloh, nannte er sie. Sie müsse gereinigt werden am Ritualplatz hoch über den Klippen, und der Bär solle mitkommen. Der Bär spürte, was das bedeutete. Blut. Sein Blut sollte fließen. Er hörte ein Kreischen aus der Ferne. Harpyen. Ein Grauen, das durch die Berge ging. Aber niemand hier sah dorthin. Ihre Augen wollten den Bären. Der Junge war arglos.
4.
Die Hitze traf ihn wie eine Faust. Ein Kessel, groß wie ein Pferdekörper, darunter Asche und Glut. Flammen leckten daran, Funken stoben auf. Der Junge stand unweit davon, sein Blick getrübt, als würde er fremden Stimmen lauschen. Haldron warf Kräuter ins Feuer, beschwor die Ahnen. Die Axt auf einem Felsblock glühte in der Hitze des Ritualbrandes, ließ das Fleisch des Bären zusammenzucken, als er den Schwefeldampf roch. Der Schamane, von einem grollenden Singsang umhüllt, forderte Blut. Nur so werde der Fluch gebrochen. Geister erschienen in den Dämpfen, wandten sich zum Bären, und der Junge stolperte in seine Richtung. Eine Sekunde lang glaubte der Bär, dies sei das Ende. Der Junge hielt die Axt, zerrissen zwischen Furcht und Pflicht. Dann sagte Haldron:
Opfere ihn.
Das war das Wort, und es schnitt durch die Stille wie eine Klinge.
5.
Flammen warfen harte Schatten, und Ahnen tobten. Der Junge schaute zum Himmel, und in den Wolken sah er etwas wie einen Bärengeist. Seine Augen flackerten im Schein des Feuers, und eine dunkle Stimme flüsterte aus dem Kessel. Ein Herz, das vom Zorn besessen ist, dachte der Bär, ist gefährlicher als jede Waffe. Die Ahnen schlugen auf Schilde, riefen nach Blut, wollten das Tier geschlachtet sehen als ein Opfer. Doch in dem Jungen kämpfte ein anderer Wille, etwas Reineres. Er hob die Axt, die Muskeln spannten sich unter seiner Haut. Dann verharrte er, zitternd. Er wusste, es war falsch.
Nein, sagte er.
Haldron fauchte, stieß den Knochenszepter hart auf den Boden. Doch der Junge blieb standhaft. Er sprach davon, dass bereits zu viel Unheil aus jener Klinge entsprungen sei, dass er keinen Freund verletzen oder opfern würde. Die Ahnen waren entsetzt. Das Ritual gescheitert. Aber in den Augen des Bären glomm Hoffnung. Hier stand ein Knabe, der zwischen dem Dunkel und dem Licht wehrte und sich frei entschied.
6.
Haldron wollte anderes Blut, doch ein Gekreisch brach über die Gipfel herein. Harpyen stießen durch die Wolken, schwarze Schwingen wie ein Alptraum. Der Junge starrte zu ihnen auf, und plötzlich brannte etwas in seinem Blick. Namen seiner Tierfreunde klangen in seinen Gedanken, die die Harpyen geraubt hatten. Er schwor bei den Ahnen, wenn Blut gefordert sei, so sollte es Harpyenblut sein, oder sein eigenes. Noch immer trug er kaum mehr als Fetzen, die Axt in der Hand, und stürmte davon, hinauf in die Berge. Der Bär sah ihm nach, der Pelz gesträubt, und er wusste, er würde ihm folgen.
7.
Der Wind zerrte an ihrer Haut, als sie den Gipfel erreichten. Die Harpyen senkten sich herab wie gierige Schatten. Halb Frau, halb Vogel, mit Klauen und krummem Schnabel, und in ihren Augen loderte ein wilder Hunger. Vier waren es, kreischend, hackend, zerfetzend. Der Junge brüllte, die Axt schnitt in die erste Kreatur, Blut besudelte den schroffen Fels. Der Schnee ward rot. Der Bär tobte gegen die zweite, sein Gebrüll hallte in den Bergen wider. Eine klammerte sich an seinen Rücken, riss ihm Büschel aus dem Fell. Er warf sie zu Boden, zermalmte sie mit einem Schlag. Federn stoben über die zerfurchten Steine, und die Luft roch nach Eisen. Mit letzter Kraft bezwangen sie drei von ihnen. Die vierte blieb außer Reichweite, kreiste, lachte in heiserem Spott, als sie die Wunden der beiden sah. Blut tropfte, und ihr Spott gellte in der dünnen Luft. Heiß rann der Lebenssaft, aber noch waren der Junge und der Bär nicht tot.
8.
Der letzte Angriff kam rasch. Die Harpye tauchte herab und zog dem Jungen die Krallen über die Schulter, riss Haut und Sehnen auf. Er sackte zusammen, röchelnd. Der Bär stellte sich dazwischen, sein geborstener Pelz floss dunkelrot. Er packte den Jungen, schleppte ihn Stück für Stück den Hang hinab. Noch einmal stürzte die Kreatur auf ihn, doch er ließ nicht locker. Mit einem Ruck warf er den Jungen die Geröllhalde hinunter, in Richtung Dorf. Sollten die seinen ihn retten. Dann wandte er sich um. Er wusste, dass es sein letzter Kampf war. Er war alt und seine Wunden tief. Aber in seinen Augen brannte dasselbe Feuer, das ihn so mürrisch und unbezwingbar gemacht hatte. Für einen Atemzug verharrte er. Die Harpye zischte, senkte die Krallen. Er schnaubte, richtete sich auf. Sein Gebrüll ließ die Felswände erzittern.
Im finalen Augenblick hob er die Pranke, und die Welt um ihn ward still.
Es war sein Wald und sein Reich, und sie hatten ihn all die Jahre allein gelassen. Die Bäume standen im dunstigen Licht, der Boden feucht unter seinen Klauen. Er war alt, der Schwarzbär, und sein Pelz war stumpf wie die grauen Steine im Fluss. Er schnaufte, witterte die Stille. Einst hatte er Jäger in die Flucht geschlagen, tiefe Narben hinterlassen. Er kannte dieses Land bis in die Knochen. Aber an diesem Morgen lag etwas in der Luft, eine Regung, die ihm das Fell am Nacken kräuselte. Er hob die Schnauze. Nichts. Kein Laut, kein Geruch. Doch das Gefühl blieb. Etwas war im Kommen.
2.
Er hörte ihn, bevor er ihn sah. Ein Junge mit leisen Schritten, kein Scheppern von Metall. Einen Barbaren und doch anders. Als der Knabe aus dem Dickicht trat, wirkten seine Augen hellwach. Keine Angst in ihnen. Der Bär knurrte, richtete sich auf, warnte mit gesträubtem Fell. Der Junge aber kam näher. Er ging voran und wandte ruhig den Blick ab, als spräche er eine Sprache des Waldes, die kein Mensch je gekannt hatte. Der Bär brüllte, schlug aus mit der Pranke. Der Junge sprang beiseite, fauchte, als wäre er ein wilder Hund. Sie rangen. Sie stürzten zu Boden. Der Bär riss dem Jungen das Fellzeug von der Brust, doch der Mensch wich nicht zurück. Blut lief, beide keuchten. Schließlich lagen sie im dichten Moos, das Herz des Bären pochte laut, das Herz des Jungen hämmerte im Takt. Und inmitten des rauen Atems fühlte der Bär jenen unerwarteten Funken. Respekt. Vielleicht sogar etwas wie Verbundenheit.
3.
Trotz aller Vorsicht folgte der Bär dem Jungen hinaus aus dem Wald, in das Dorf hinter hölzernen Wällen. Fremdes Volk. Feuerstellen und der Geruch nach altem Blut. Doch in ihrer Mitte stand ein Mann, hochgewachsen, die Augen so ruhig wie ein stiller Tümpel. Sein Mantel aus Fellen und Knochenketten raschelte im Wind. Er sprach mit leiser Stimme, doch sein Blick ruhte auf dem Bären, als sähe er mehr als nur ein Tier. Dies war Haldron, der Schamane. Er wies auf eine Axt am Altar. Haunseloh, nannte er sie. Sie müsse gereinigt werden am Ritualplatz hoch über den Klippen, und der Bär solle mitkommen. Der Bär spürte, was das bedeutete. Blut. Sein Blut sollte fließen. Er hörte ein Kreischen aus der Ferne. Harpyen. Ein Grauen, das durch die Berge ging. Aber niemand hier sah dorthin. Ihre Augen wollten den Bären. Der Junge war arglos.
4.
Die Hitze traf ihn wie eine Faust. Ein Kessel, groß wie ein Pferdekörper, darunter Asche und Glut. Flammen leckten daran, Funken stoben auf. Der Junge stand unweit davon, sein Blick getrübt, als würde er fremden Stimmen lauschen. Haldron warf Kräuter ins Feuer, beschwor die Ahnen. Die Axt auf einem Felsblock glühte in der Hitze des Ritualbrandes, ließ das Fleisch des Bären zusammenzucken, als er den Schwefeldampf roch. Der Schamane, von einem grollenden Singsang umhüllt, forderte Blut. Nur so werde der Fluch gebrochen. Geister erschienen in den Dämpfen, wandten sich zum Bären, und der Junge stolperte in seine Richtung. Eine Sekunde lang glaubte der Bär, dies sei das Ende. Der Junge hielt die Axt, zerrissen zwischen Furcht und Pflicht. Dann sagte Haldron:
Opfere ihn.
Das war das Wort, und es schnitt durch die Stille wie eine Klinge.
5.
Flammen warfen harte Schatten, und Ahnen tobten. Der Junge schaute zum Himmel, und in den Wolken sah er etwas wie einen Bärengeist. Seine Augen flackerten im Schein des Feuers, und eine dunkle Stimme flüsterte aus dem Kessel. Ein Herz, das vom Zorn besessen ist, dachte der Bär, ist gefährlicher als jede Waffe. Die Ahnen schlugen auf Schilde, riefen nach Blut, wollten das Tier geschlachtet sehen als ein Opfer. Doch in dem Jungen kämpfte ein anderer Wille, etwas Reineres. Er hob die Axt, die Muskeln spannten sich unter seiner Haut. Dann verharrte er, zitternd. Er wusste, es war falsch.
Nein, sagte er.
Haldron fauchte, stieß den Knochenszepter hart auf den Boden. Doch der Junge blieb standhaft. Er sprach davon, dass bereits zu viel Unheil aus jener Klinge entsprungen sei, dass er keinen Freund verletzen oder opfern würde. Die Ahnen waren entsetzt. Das Ritual gescheitert. Aber in den Augen des Bären glomm Hoffnung. Hier stand ein Knabe, der zwischen dem Dunkel und dem Licht wehrte und sich frei entschied.
6.
Haldron wollte anderes Blut, doch ein Gekreisch brach über die Gipfel herein. Harpyen stießen durch die Wolken, schwarze Schwingen wie ein Alptraum. Der Junge starrte zu ihnen auf, und plötzlich brannte etwas in seinem Blick. Namen seiner Tierfreunde klangen in seinen Gedanken, die die Harpyen geraubt hatten. Er schwor bei den Ahnen, wenn Blut gefordert sei, so sollte es Harpyenblut sein, oder sein eigenes. Noch immer trug er kaum mehr als Fetzen, die Axt in der Hand, und stürmte davon, hinauf in die Berge. Der Bär sah ihm nach, der Pelz gesträubt, und er wusste, er würde ihm folgen.
7.
Der Wind zerrte an ihrer Haut, als sie den Gipfel erreichten. Die Harpyen senkten sich herab wie gierige Schatten. Halb Frau, halb Vogel, mit Klauen und krummem Schnabel, und in ihren Augen loderte ein wilder Hunger. Vier waren es, kreischend, hackend, zerfetzend. Der Junge brüllte, die Axt schnitt in die erste Kreatur, Blut besudelte den schroffen Fels. Der Schnee ward rot. Der Bär tobte gegen die zweite, sein Gebrüll hallte in den Bergen wider. Eine klammerte sich an seinen Rücken, riss ihm Büschel aus dem Fell. Er warf sie zu Boden, zermalmte sie mit einem Schlag. Federn stoben über die zerfurchten Steine, und die Luft roch nach Eisen. Mit letzter Kraft bezwangen sie drei von ihnen. Die vierte blieb außer Reichweite, kreiste, lachte in heiserem Spott, als sie die Wunden der beiden sah. Blut tropfte, und ihr Spott gellte in der dünnen Luft. Heiß rann der Lebenssaft, aber noch waren der Junge und der Bär nicht tot.
8.
Der letzte Angriff kam rasch. Die Harpye tauchte herab und zog dem Jungen die Krallen über die Schulter, riss Haut und Sehnen auf. Er sackte zusammen, röchelnd. Der Bär stellte sich dazwischen, sein geborstener Pelz floss dunkelrot. Er packte den Jungen, schleppte ihn Stück für Stück den Hang hinab. Noch einmal stürzte die Kreatur auf ihn, doch er ließ nicht locker. Mit einem Ruck warf er den Jungen die Geröllhalde hinunter, in Richtung Dorf. Sollten die seinen ihn retten. Dann wandte er sich um. Er wusste, dass es sein letzter Kampf war. Er war alt und seine Wunden tief. Aber in seinen Augen brannte dasselbe Feuer, das ihn so mürrisch und unbezwingbar gemacht hatte. Für einen Atemzug verharrte er. Die Harpye zischte, senkte die Krallen. Er schnaubte, richtete sich auf. Sein Gebrüll ließ die Felswände erzittern.
Im finalen Augenblick hob er die Pranke, und die Welt um ihn ward still.
Begegnungen im Dunst von Nebelhafen
Nathara, Handwerksfrau, durchwandert das Moos,
im Morgengraun huscht sie mit Kindern im Schlepptau.
Da hört sie ein Schluchzen, ein Brummen vom Pfad,
und plötzlich ein Riese, den Bären zur Seit'.
Bjornar, glanzäugig, behütet die Kindlein, als wärn sie verlorn,
sie lädt ihn ins Heim, zum Märchen vom süßesten Brei.
Auf der Nebelbachbrücke stand ich, Davind mit Korb,
als dumpfe Tatzen den Weg erzittern ließen.
Eine Schar Bären trippelte fröhlich neben dem Hünen,
Bjornar lachte und hielt ein Honigfass hoch.
„Zum Feste in Fjellgat!“, rief er in froher Lust,
und trabte fort, mit Brummen und Summen.
Bei Nacht sah ich, Dulgat der Zwerg, flackerndes Licht,
mitten auf Nebelhavns Marktplatz, wo Bären sich drängten.
Bjornar, der große Bursche, wollte Arbeit erfragen,
stattdessen macht ich ihm einen hölzernen Bären.
Er grinste breit, sein Blick so kindlich und rein,
und tanzte im Mondschein mit brummenden Freunden davon.
An Rou Se’lassis Hütte, da hörten wir Schnaufen
und Kratzen des Nachts, wenn das Mondauge spähte.
Tiefe Tatzenabdrücke ums Haus verrieten uns heimliche Gäste,
Bärentreiben, geführt von jenem zottigen Schelm.
Sein Lachen mischte sich mit Raunen des Waldes,
wir kauerten staunend—und schlossen die Tür fester.
Targrak, ein Ork von finsterer Miene, traf Bjornar zur Dämmerung,
sein Schlachtermesser klirrend am Gürtel.
Doch statt Kampf und Blut fordert stammlig er Hilfe:
„Finde Frau Latrine, sie soll… äh… mir raten!“
Bjornar blinzelte, zuckte mit den breiten Schultern,
und zog samt Bärentross in der Dunkelheit fort.
Er nennt mich den Schlakks, bin Magus im Lehrstand,
reiste mit Bjornar nach Surom bei Nacht,
Wir suchten die Frau Latrine,
doch fanden gefangenen Löwen in Ketten, wild klagendes Fauchen—
Mit List und Nachtfisch besiegten wir Tor und Biest,
Bjornar, kein Feind der Bestien, lockte den Löwen mit Blut,
und freidankbar sprang er davon, als ob er Bruder wäre,
folgt mir bis heut.
Dakmor, der Schweigsame, wacht in Nebelhavn,
in nächtlicher Stille hörte er Tatzen und Pranken.
Bären irrten durchs Gassengewirr, witternd den Freund,
bis sie im Dunkel verloren gingen, sanft brummend.
Bjornar war fern, doch ihr Treuherz blieb wach,
so streiften sie weiter, den Hünen zu finden.
Da sprang Bjornar hinzu, warf sich hoch auf das Tier,
streichelte sein Fell, stopft ihm süßes Futter ins Maul.
Der Bulle ergab sich, müde und kauend,
und gemächlich trotteten sie zum Stall zurück.
Fel Maris, ein rotlohig Fräulein, weitbewandert,
zeigte Bjornar den Pfad in den sagenumwob’nen Feenwald.
Dort wuchs der gewaltige Grisselbjorn, Bärenkönig von uralter Art,
den Bjornar zum Ringkampf begehrte.
Mit freudigem Kopfschütteln ließ Fel Maris ihn ziehen,
zum Rascheln und Raufen im tiefen Gehölz.
Er schuldet ihr wohl Groschn, wenn er wüßt‘ was das sei.
Wir Holzfäller schlugen an Eichen und Fichten,
im Morgengraun hörten wir lautes Getoll.
Rufe, Gejohle, ein Rhythmus von Pfoten und Füßen,
Bjornars Brüllen und Bärengebrumm.
Wir warfen die Äxte beiseit’ und lauschten entzückt,
doch als wir suchten, war nur Wind in den Blättern.
da hörte ich ein tiefes Grollen vom Grimmigbaum.
Der Ahnenbaum, so sagten Legenden, schlafe bei Zeiten,
und ich wähnte ihn schnarchen, so mächtig sein Stamm.
Plötzlich witterte ich Bären, die mich grimmig verjagten,
denn unter dem Wurzelwerk ruhte Bjornar friedlich im Traum.
im Morgengraun huscht sie mit Kindern im Schlepptau.
Da hört sie ein Schluchzen, ein Brummen vom Pfad,
und plötzlich ein Riese, den Bären zur Seit'.
Bjornar, glanzäugig, behütet die Kindlein, als wärn sie verlorn,
sie lädt ihn ins Heim, zum Märchen vom süßesten Brei.
Auf der Nebelbachbrücke stand ich, Davind mit Korb,
als dumpfe Tatzen den Weg erzittern ließen.
Eine Schar Bären trippelte fröhlich neben dem Hünen,
Bjornar lachte und hielt ein Honigfass hoch.
„Zum Feste in Fjellgat!“, rief er in froher Lust,
und trabte fort, mit Brummen und Summen.
Bei Nacht sah ich, Dulgat der Zwerg, flackerndes Licht,
mitten auf Nebelhavns Marktplatz, wo Bären sich drängten.
Bjornar, der große Bursche, wollte Arbeit erfragen,
stattdessen macht ich ihm einen hölzernen Bären.
Er grinste breit, sein Blick so kindlich und rein,
und tanzte im Mondschein mit brummenden Freunden davon.
An Rou Se’lassis Hütte, da hörten wir Schnaufen
und Kratzen des Nachts, wenn das Mondauge spähte.
Tiefe Tatzenabdrücke ums Haus verrieten uns heimliche Gäste,
Bärentreiben, geführt von jenem zottigen Schelm.
Sein Lachen mischte sich mit Raunen des Waldes,
wir kauerten staunend—und schlossen die Tür fester.
Targrak, ein Ork von finsterer Miene, traf Bjornar zur Dämmerung,
sein Schlachtermesser klirrend am Gürtel.
Doch statt Kampf und Blut fordert stammlig er Hilfe:
„Finde Frau Latrine, sie soll… äh… mir raten!“
Bjornar blinzelte, zuckte mit den breiten Schultern,
und zog samt Bärentross in der Dunkelheit fort.
Er nennt mich den Schlakks, bin Magus im Lehrstand,
reiste mit Bjornar nach Surom bei Nacht,
Wir suchten die Frau Latrine,
doch fanden gefangenen Löwen in Ketten, wild klagendes Fauchen—
Mit List und Nachtfisch besiegten wir Tor und Biest,
Bjornar, kein Feind der Bestien, lockte den Löwen mit Blut,
und freidankbar sprang er davon, als ob er Bruder wäre,
folgt mir bis heut.
Dakmor, der Schweigsame, wacht in Nebelhavn,
in nächtlicher Stille hörte er Tatzen und Pranken.
Bären irrten durchs Gassengewirr, witternd den Freund,
bis sie im Dunkel verloren gingen, sanft brummend.
Bjornar war fern, doch ihr Treuherz blieb wach,
so streiften sie weiter, den Hünen zu finden.
Am Markt entlief ein Bulle, brüllend und wild,
Menschen flohen, Körbe flogen, Rufe hallten.Da sprang Bjornar hinzu, warf sich hoch auf das Tier,
streichelte sein Fell, stopft ihm süßes Futter ins Maul.
Der Bulle ergab sich, müde und kauend,
und gemächlich trotteten sie zum Stall zurück.
Fel Maris, ein rotlohig Fräulein, weitbewandert,
zeigte Bjornar den Pfad in den sagenumwob’nen Feenwald.
Dort wuchs der gewaltige Grisselbjorn, Bärenkönig von uralter Art,
den Bjornar zum Ringkampf begehrte.
Mit freudigem Kopfschütteln ließ Fel Maris ihn ziehen,
zum Rascheln und Raufen im tiefen Gehölz.
Er schuldet ihr wohl Groschn, wenn er wüßt‘ was das sei.
Wir Holzfäller schlugen an Eichen und Fichten,
im Morgengraun hörten wir lautes Getoll.
Rufe, Gejohle, ein Rhythmus von Pfoten und Füßen,
Bjornars Brüllen und Bärengebrumm.
Wir warfen die Äxte beiseit’ und lauschten entzückt,
doch als wir suchten, war nur Wind in den Blättern.
Ein Blumensammler, so bin ich, suchte Knospen im Morgentau,
die schönsten wachsen wild am Hain des Nordvolkes,da hörte ich ein tiefes Grollen vom Grimmigbaum.
Der Ahnenbaum, so sagten Legenden, schlafe bei Zeiten,
und ich wähnte ihn schnarchen, so mächtig sein Stamm.
Plötzlich witterte ich Bären, die mich grimmig verjagten,
denn unter dem Wurzelwerk ruhte Bjornar friedlich im Traum.
Von Tribut und Lizenzen
Sonett des Autoren an Bjornar
O du Barbarenkind, Sarmatijaschs Erbe hold,
Dich nährt der Ruhm, der in Heldensagen webt;
Den Nordwind, der durch finstre Wälder strebt,
Trägst du im Blick, so trotzig und gewollt.
Dein Eifer hat dich durch tiefe Flamm‘ gerollt,
Hast den Drachen todesmutig ganz erlebt;
Nicht Furcht, nur Staunen, das in dir erbebt,
Wo jeder Feind dir schimmert, schrecklich-gold.
Im wirren Wort von Ehre und von Sieg
Tanzt Schatten wild mit Asagards Gesang,
Grimla haucht dir Sanftmut in den hellen Blick.
Ob Kovakarhu brüllt im Sturm um Krieg,
So hält dein Herz am alten Wort noch lang,
wenn Skalde dir zum Wohl die Lieder schick.
Träume von Bestien
Man muss nun wissen, dass dieser besagte junge Barbar in den Stunden, da keine Bestie des Waldes ihn auf Trab hielt – und es waren dies im kargen Norden öftere Pausen, als man vermuten möchte –, sich ganz dem Sinnen über alte Heldenlieder hingab, mit so glühender Hingabe, dass er dabei selbst jene Pflichten vergaß, die man einem Krieger seines Schlages hätte zumuten sollen. Von der verheerenden Brandnacht, da eine Bärin ihn annahm und ihm die Wildnis zur Mutter wurde, blieb Bjornar nur noch die verschwommene Erinnerung an Lodern und Rascheln – doch umso tiefer brannten sich die Sagen seiner Vorfahren in sein Herz: Er lauschte dem Wispern der Axt Haunseloh, als spräche sie von längst versunkenen Reichen und glorreichen Schlachten, und glaubte fest daran, dass er auserkoren sei, diese alten Prachtmärchen mit neuem Leben zu erfüllen.
So sehr entzündete sich sein Geist an jeder noch so wilden Geschichte, dass er, obgleich er ein Hüne von wilder Kraft war, oft Stunden oder gar Tage mit träumerischem Blick im Wald verharrte, als sähe er bereits die Schatten gewaltiger Drachen oder die Silhouetten dunkler Dämonen in den Nebeln aufsteigen. Zwar schreckte er niemanden, dem er wohlgesonnen war (mal abgesehen von Davind, Anm. d. Autors), doch sein Eifer in der Jagd nach Abenteuern wuchs ins Maßlose: Schmale Stege über Schluchten erachtete er für geheimnisvolle Pfade in verborgene Welten, das Heulen des Windes für Lockruf uralter Geister, und mit jedem Rudel Bären, das ihm begegnete, glaubte er, ein Bündnis gegen finstere Zauberer schließen zu können.
Jedes Mal, wenn er einen Funken Verwegenheit in sich spürte, träumte er bereits davon, sein vermessener Eifer möge das Schicksal selbst bezwingen, und nicht selten rief er laut ins Unterholz, dass die Zeit nun reif sei, Heldentaten zu vollbringen – ganz so, als läge ihm ein verschollenes Königreich zu Füßen. Ohne Zweifel hätte er alles drangesetzt, diese Träume zur Gänze in die Wirklichkeit zu holen, wenn nicht bald schon noch größere und unablässig wachsende Vorstellungen von Drachenfeuer, Dämonenschwingen und dem ungewissen Flüstern Haunselohs seinen Geist in Bann geschlagen hätten.
Zur Drachenhatz
An diesem grauen Morgen fand Bjornar das Dorf Fjellgatt seltsam verlassen vor. Wo sonst Hammerschläge und Stimmen widerhallten, herrschte nur gespenstische Stille. Erst am Schmiedeofen traf er auf Rothgar, der, rußverschmiert, an einem beschädigten Schild arbeitete. „Ahnenehr, Rothgar! Fjellgatt iss so still wie eyn Grab? Wo sinn alle hindenn?“ fragte Bjornar und schnupperte suchend in der Luft.
„Rashka, Solveijg und Haldron sind mit den Dawi von Khul Gathol auf Drachenhatz gegangen“, brummte Rothgar. „Du kennst ihre Ungeduld. Sie wähnen das Ungeheuer in einer alten Höhle.“
„Jau, Drachn! Jeg folg der Riechspur! Jeg rieche, rieche Solveijgs Haar un… den Opferdunst vom Haldron ooch… Warten is neyt gud!“ Ohne weitere Umschweife rannte Bjornar los, seine mächtigen Beine stapften durch den Schnee, während er den unverkennbaren „Duft“ seiner Freunde aufspürte. In seinem Herzen pochte bereits die Vorfreude auf das Abenteuer, das ihn jenseits der stillen Hütten erwarten mochte.
Der Wyrm
Die Drachenhöhle gähnte ihm entgegen wie ein finsterer Schlund. Bjornar spürte den modrigen Atem des Wyrms bereits im Eingang, doch noch stärker roch er den Schweiß und die Furcht seiner Freunde. Er tastete sich voran, kriechend durch enge Spalten, während das ohrenbetäubende Brüllen des Untiers die Wände erzittern ließ.
Mit jeder Biegung glaubte er, Rashkas Rufe zu hören, doch im nächsten Moment war alles nur Dröhnen und flackernder Schein. Plötzlich traf ihn in der Dunkelheit des Wegs ein wuchtiger Schlag, ob Drachenbrut oder Erdgeist, wer vermags zu sagen? Benommen taumelte er, Haunseloh glitt ihm fast aus der Hand. Ob er im nächsten Augenblick wirklich den feuerspeienden Wyrm sah oder nur den Albtraum seiner Einbildung, blieb ungewiss. Dich unvermittelt fand er sich mitten im Getümmel!
„Haldron! Rashka! Dawidvergr! Wo steckt’s ihr?! Verzaget nich! Bjornar kimmt zu Hilf Euch! Bruhir iss da!“
In seiner Vorstellung war er bereits der leuchtende Held: Mit einem mächtigen Hieb, der Funken aus dem Drachenpanzer stieben ließ, schlug er dem Ungeheuer in seiner Einbildung den Hals auf. Die Bestie schrie gellend, und er, Bjornar, stürzte sich heldenhaft vor seine Gefährten, um sie zu retten.
In Wahrheit war es ein beiläufiger Schwanzschlag des Wyrms, der ihn in hohem Bogen quer durch die Höhle schleuderte. Kaum hatte er den Aufprall überstanden, packte ihn Rashka am Fell und zog ihn unter einen Felsvorsprung, bis der Zorn des Drachen sich anderswo entlud. Nur Bjornars wirrer Traum von ruhmreicher Rettung glomm weiter in seinen halb geschlossenen Augen.
Lizenz und Tribut
Lang gellte der Todeskampf der Bestie, die Helden – sehr große, wie sehr kleine – obsiegten im Verbund. Kaum hatten sich die Recken des vermeintlichen Triumphes erfreut, da erhob sich im Innern der gewaltigen Höhle ein neuer Tumult: Die Suromer traten auf – seltsame Gestalten, deren finstre Anmut so gar nicht in die glühendkalten Tiefen passen wollte. Sie verlangten lautstark mächtigen Zoll und der wilde Jungen hörte ehrfürchtig, dass ihnen der mystische „Zenzil“ gezeiget werden solle und man den „Burtris“ übergeben würde – einer riss dem Bjornar seinen Beutesack aus der Hand, voll mit Gedärm der Dickwänster, die er noch Vortags erschlagen hatte. Die selbstherrlichen Suromer verlangten Könige zu sprechen, führten gebrochene Verträge zu Feld und wollten wundgeschlagene Gefangene machen und gierten nach dem hart errungnen Heldengold.
Bjornar aber, noch halb benommen vom Kampfgetöse, verharrte in ehrfürchtigem Staunen. So sehr erinnerte ihn ihre unheilkündende Erscheinung an die Monster seiner Märchen, dass er den Blick nicht abwenden konnte. Besonders groß war sein Erstaunen, als er ein schlankes, mit Obsidianschuppen bedecktes Ungetüm erblickte – einen Drachen, der tatsächliche Worte sprach und sein Haupt wie ein Despot über der Versammlung erhob.
„Ey, schau an, du Drache, du! Dir gehört eyn Suromer oda umjekehrt?“ so purzelten Bjornars Gedanken aus seinem Munde und er wunderte sich, ob er sich auch mit diesem gewaltigen Wesen befreunden könne, wie es ihm so mühelos mit seinen Bärenbrüdern gelingt.
Noch unheimlicher war jedoch der Anführer dieser Schar, ein Wesen halb Mensch, halb Wirbelsturm, dessen wild tanzender Unterleib krachend gegen die Felswände peitschte. Bjornar nannte ihn für sich die „Windhose“, denn genau so war der ja gekleidet, und in seinem Geist verband sich diese Anrede mit der donnernden Stimme des Suromers, der forderte, man möge sich beugen und die ganze Beute der Drachenjagd abtreten.
Zuletzt zog Bjornar baff die Augenbrauen hoch, als er zwischen den Kämpfern eine Frau mit blutigschwarzen, ledrigen Schwingen erblickte, wie ein dämonisches Abbild einer Harpyie, doch weit verführerischer. Sie stellte unmögliche Forderungen, begehrte Gold und Unterwerfung, und ihre Stimme hallte wie verdorbener Honig durch die klaffende Höhle. Den wenigen Gefährten der Dvergar, die noch im Drachenhort standen, drohten die Suromer schon mit Enthauptung, doch Bjornar vernahm davon nur bruchstückhaft. Zu sehr war er gefangen in der wohlig-schaurigen Vision, eine schrecklich schöne Schar aus seinen Legenden leibhaftig vor sich zu sehen, halb bewundernd, halb entsetzt.
Allein mit dem Schwarzalb
Mit Worten der Macht riss die Windhose das Gefüge der Welt auseinander und so rasch wie sie kamen verschwand die Schar der Suromer durch einen Spalt aus blauem Licht. So fand sich Bjornar plötzlich allein in einer düsteren Nische der verwüsteten Höhle wieder. Neben dem toten Wyrmkadaver regte sich nur eine schlanke Gestalt, die fast mit der Schwärze der Wände verschmolz: ein Svartalf, dessen lange, spitze Ohren unter einem dunklen Kapuzenumhang hervorlugten. Ein seltsames Flackern glitt über dessen bleiches Antlitz, als er mit weicher Stimme sprach:
„Komm mit mir in die Tiefen des Unterreiches. Dort wartet mehr Schönheit, als selbst dein Träumerauge es je erfassen könnte. Komm folg, ich leg dich in Ketten – oder sperre dich in ein Labyrinth, aus dem kein Sterblicher zurückkehrt.“
„Eyn freundlich Gasthus habt ihr nich, da drunnen? So wie beym Nordvolk, mit herzlichem Kommwillen und viel fettig Fressn? Das würd‘ mir wohl gudfallen!“ fragte Bjornar hoffnungsvoll und um ein Haar wär er mitgegangen.
„Doch, wir haben eins, nur ist es sehr klein; gerade mal einen Fuß breit und einen lang“ erwiderte der Alb.
Bjornar betrachtete das Schuwerk des Wichtels: „Hast recht winzge Füßchen‘“, sagte Bjornar und schluckte hart. Sein Blick fiel auf den funkelnden Stahlring, den der Fremde in seinen Händen hielt.
„Jeg sag ney! mag keene Kettn nich! Schon drinnensteck in der Höhle hierda, das iss jau schon Gefängnis genug… Eyn garstig Drachen lauert vorm Ausgang. Meyn Freundsippe iss fort und hier kimm jeg allein niemals nich raus!“
Der Dunkelelf lächelte kalt und trat über die schuppigen Überreste des Wyrms, als wäre dies sein angestammtes Reich. Dasselbe unheimliche Funkeln blitzte in seinen Augen, als er Bjornar mit einer kaum merklichen Geste bedeutete, ihm zu folgen. Und obwohl das Wort „Labyrinth“ immer noch wie ein drohendes Echo in Bjornars Ohren klang, beschloss er, der dunklen Gestalt zu vertrauen – mehr aus Furcht vor der endlosen Finsternis als aus echter Überzeugung.
Wenig später schälten sie sich durch zerborstene Gänge und glitschige Felsrisse einem schmalen Ausgang entgegen. Dort lauerte die Gestalt eines grausigen Drachen, garstige Brut des Wyrm, der über verkohlten Stein glitt und in seiner Blutgier den Blick nicht von den beiden Neuankömmlingen ließ. Unvermittelt stürzte der Svartalf sich vor, seine gekrümmten Klingen blitzten im rötlichen Schein, und ein kurzer Hauch sengender Flammen erhitzte die freie Luft des Höhlenausgangs.
Bjornar, dessen Herz bei dem Anblick wilder Kampfeskunst aufs Neue in stolzer Begeisterung pochte, wagte kaum zu atmen. Unschlüssig umklammerte er seine Axt. Noch wusste er nicht, ob er dem Dunkelelf zu Hilfe eilen oder fliehen sollte. In seiner Brust jedoch mischten sich Staunen und Ehrfurcht, denn selten hatte er ein so graziöses wie tödliches Schauspiel erblickt – als wäre die Dunkelheit selbst zum Tanze angetreten, um Feuer und Stahl zu trotzen.
Furioses Finale: Schelte für den Helden
Kaum hatte der Svartalf sich dem Drachen entgegengeworfen, als Bjornar – in seinem gewohnt ungestümen Eifer – ihm zu Hilfe eilen wollt. Doch eine lodernde Flammenwand kostete ihm fast Luft und Leben, versperrte seinen Weg. Die Hitze brannte ihm in den Lungen, und sein Blick verschwamm. Über all das Flammentosen drang ein weit entfernter Ruf an sein Ohr, ein Klang, der seine Brust erzittern ließ:
„Bjornar! Bist du da? Wo steckst, Kerl? Komm her, Junge!“
Das war Tarabasch, sein Freund und Lehrmeister an der Axt. Die Panik und Sorge in der Stimme, gefiel dem Jungen wohl. Mit neuer Hoffnung fasste Bjornar das Heft von Haunseloh fester, stürmte vor und rief:
„Befreiung! Drachenodem her und hin – Bjornar kennt keyne Angstfurcht nich! Jeg komm, jeg komm!“
Er preschte los, sprang durch die Wand aus Funken und Glut, als wolle er sich selbst ins Herz des Feuers stürzen. In seiner Vorstellung war er der unbesiegbare Held, der dem Svartalf Schutz bot und das Ungeheuer mit einem einzigen Streich fällte. Die Wirklichkeit indes war viel weniger glorreich: Ein wuchtiger Flammenstoß traf ihn, schleuderte ihn weit über die Kante der zerborstenen Felsenbrücke hinaus. Für einen kurzen, schwebenden Augenblick glaubte er tatsächlich, er flöge dem Drachen davon.
Dann landete er ruckartig in einem dichten Knäuel aus Armen und Fellmänteln – seine Gefährten, Zwerge und Hünen, hatten ihn gerade noch rechtzeitig aufgefangen. Zwischen angekokelten Bärten, verbissenen Gesichtern und hastigen Flüchen zogen sie ihn vom Schlund der Höhle fort, den brüllenden Drachen im Rücken.
Erst als sie Fjellgatt erreichten, fiel die ganze Aufregung von allen ab. Die Krieger, noch bebend vor Zorn und Furcht, wollten Bjornar ermahnen, es hagelte Schelte und Kopfnüsse. „Unglaubliches Glück hast gehabt, Kerl, dassde noch am Leben bist!“ tobte Tarabasch.
Doch Bjornar saß bereits am knisternden Feuer, zog seine versengten Stiefel aus und lächelte selig in die Flammen, als wäre er soeben aus einem rühmlichen Festmahl zurückgekehrt.
„Ah, so bra der Tag,“ murmelte er behaglich und ließ die Hitze an seinen bloßen Füßen emporsteigen. „Große Abenteuer… Bjornar iss müdig jetz, aber das Herz ist frohsinnig. Jau, ein echter Glücklichtag!“, sagte er mit einem riesigen Grinsen.
Wohl keiner seiner Gefährten begriff, wie er angesichts solcher Schrecken solch heiteren Sinn bewahren konnte. Und doch saßen Johtar und Lehrmeister bald um ihn herum und lauschten atemlos, während er mit blühender Naivität berichtete, wie er den Tag in Glanz und Ehre vollbracht habe. All das Unheil, das ihnen widerfahren war, erschien in seinem Traumgewand beinahe wie eine heldenhafte Legende.
Epilog
Und so hockt Bjornar nun am flackernden Feuer, in eine Decke aus zerschlissenen Fellen gehüllt, und betrachtet die verkohlten Reste seines jüngsten Abenteuers mit einem seligen Schmunzeln. Es ist ihm, als weile er in jenem eigenwilligen Zwischenreich, wo sich Wirklichkeit und Traum umschlingen, bis sie eins werden. Sollte es dem Schicksal je gefallen, ihm die Erinnerungen an jene Drachenflammen, an finstere Labyrinthe, unheilvolle Gestalten und jene halbwahren Wunder zu nehmen, so hofft er doch, wenigstens seine Träume zu behalten. Denn ohne sie, so meint er, wäre ihm das Leben so öde wie der Schnee ohne Spuren. Wäre ihm hingegen beschieden, sich ganz in den weiten Ahnensagen zu verlieren, so würde er in trunkenem Eifer jenen alten Stimmen lauschen, die ihn einst in den Wäldern riefen.
Wer aber zum Lagerfeuer tritt und ihn ermahnen möchte, mit klarerem Geist in die kommende Schlacht zu gehen, den fänden dieselben tückischen Worte wie jenen, der Don Quijote bitten wollte, Vernunft zu bewahren: Kein Maß an kluger Rede vermag das Herz jenes zu heilen, der die süße Wahnhaftigkeit des Abenteuers über alles andere stellt. So bleibt Bjornar, der junge Barbar, in seiner Wildnis aus Großmut und Fantasie gefangen, während die Nacht sich langsam über Fjellgatt senkt – genau wie einst, als man ihn kaum anders denn über ein paar vorwitzige Heldengeschichten grübeln sah. Und am Ende erinnert er uns daran, was wir zu Beginn wohl ahnten: Ein kühner Geist, der in Sagen lebt, kann eher den Frost der Berge besiegen als die fiebrige Glut seiner eigenen Sehnsüchte.
O du Barbarenkind, Sarmatijaschs Erbe hold,
Dich nährt der Ruhm, der in Heldensagen webt;
Den Nordwind, der durch finstre Wälder strebt,
Trägst du im Blick, so trotzig und gewollt.
Dein Eifer hat dich durch tiefe Flamm‘ gerollt,
Hast den Drachen todesmutig ganz erlebt;
Nicht Furcht, nur Staunen, das in dir erbebt,
Wo jeder Feind dir schimmert, schrecklich-gold.
Im wirren Wort von Ehre und von Sieg
Tanzt Schatten wild mit Asagards Gesang,
Grimla haucht dir Sanftmut in den hellen Blick.
Ob Kovakarhu brüllt im Sturm um Krieg,
So hält dein Herz am alten Wort noch lang,
wenn Skalde dir zum Wohl die Lieder schick.
Träume von Bestien
Man muss nun wissen, dass dieser besagte junge Barbar in den Stunden, da keine Bestie des Waldes ihn auf Trab hielt – und es waren dies im kargen Norden öftere Pausen, als man vermuten möchte –, sich ganz dem Sinnen über alte Heldenlieder hingab, mit so glühender Hingabe, dass er dabei selbst jene Pflichten vergaß, die man einem Krieger seines Schlages hätte zumuten sollen. Von der verheerenden Brandnacht, da eine Bärin ihn annahm und ihm die Wildnis zur Mutter wurde, blieb Bjornar nur noch die verschwommene Erinnerung an Lodern und Rascheln – doch umso tiefer brannten sich die Sagen seiner Vorfahren in sein Herz: Er lauschte dem Wispern der Axt Haunseloh, als spräche sie von längst versunkenen Reichen und glorreichen Schlachten, und glaubte fest daran, dass er auserkoren sei, diese alten Prachtmärchen mit neuem Leben zu erfüllen.
So sehr entzündete sich sein Geist an jeder noch so wilden Geschichte, dass er, obgleich er ein Hüne von wilder Kraft war, oft Stunden oder gar Tage mit träumerischem Blick im Wald verharrte, als sähe er bereits die Schatten gewaltiger Drachen oder die Silhouetten dunkler Dämonen in den Nebeln aufsteigen. Zwar schreckte er niemanden, dem er wohlgesonnen war (mal abgesehen von Davind, Anm. d. Autors), doch sein Eifer in der Jagd nach Abenteuern wuchs ins Maßlose: Schmale Stege über Schluchten erachtete er für geheimnisvolle Pfade in verborgene Welten, das Heulen des Windes für Lockruf uralter Geister, und mit jedem Rudel Bären, das ihm begegnete, glaubte er, ein Bündnis gegen finstere Zauberer schließen zu können.
Jedes Mal, wenn er einen Funken Verwegenheit in sich spürte, träumte er bereits davon, sein vermessener Eifer möge das Schicksal selbst bezwingen, und nicht selten rief er laut ins Unterholz, dass die Zeit nun reif sei, Heldentaten zu vollbringen – ganz so, als läge ihm ein verschollenes Königreich zu Füßen. Ohne Zweifel hätte er alles drangesetzt, diese Träume zur Gänze in die Wirklichkeit zu holen, wenn nicht bald schon noch größere und unablässig wachsende Vorstellungen von Drachenfeuer, Dämonenschwingen und dem ungewissen Flüstern Haunselohs seinen Geist in Bann geschlagen hätten.
Zur Drachenhatz
An diesem grauen Morgen fand Bjornar das Dorf Fjellgatt seltsam verlassen vor. Wo sonst Hammerschläge und Stimmen widerhallten, herrschte nur gespenstische Stille. Erst am Schmiedeofen traf er auf Rothgar, der, rußverschmiert, an einem beschädigten Schild arbeitete. „Ahnenehr, Rothgar! Fjellgatt iss so still wie eyn Grab? Wo sinn alle hindenn?“ fragte Bjornar und schnupperte suchend in der Luft.
„Rashka, Solveijg und Haldron sind mit den Dawi von Khul Gathol auf Drachenhatz gegangen“, brummte Rothgar. „Du kennst ihre Ungeduld. Sie wähnen das Ungeheuer in einer alten Höhle.“
„Jau, Drachn! Jeg folg der Riechspur! Jeg rieche, rieche Solveijgs Haar un… den Opferdunst vom Haldron ooch… Warten is neyt gud!“ Ohne weitere Umschweife rannte Bjornar los, seine mächtigen Beine stapften durch den Schnee, während er den unverkennbaren „Duft“ seiner Freunde aufspürte. In seinem Herzen pochte bereits die Vorfreude auf das Abenteuer, das ihn jenseits der stillen Hütten erwarten mochte.
Der Wyrm
Die Drachenhöhle gähnte ihm entgegen wie ein finsterer Schlund. Bjornar spürte den modrigen Atem des Wyrms bereits im Eingang, doch noch stärker roch er den Schweiß und die Furcht seiner Freunde. Er tastete sich voran, kriechend durch enge Spalten, während das ohrenbetäubende Brüllen des Untiers die Wände erzittern ließ.
Mit jeder Biegung glaubte er, Rashkas Rufe zu hören, doch im nächsten Moment war alles nur Dröhnen und flackernder Schein. Plötzlich traf ihn in der Dunkelheit des Wegs ein wuchtiger Schlag, ob Drachenbrut oder Erdgeist, wer vermags zu sagen? Benommen taumelte er, Haunseloh glitt ihm fast aus der Hand. Ob er im nächsten Augenblick wirklich den feuerspeienden Wyrm sah oder nur den Albtraum seiner Einbildung, blieb ungewiss. Dich unvermittelt fand er sich mitten im Getümmel!
„Haldron! Rashka! Dawidvergr! Wo steckt’s ihr?! Verzaget nich! Bjornar kimmt zu Hilf Euch! Bruhir iss da!“
In seiner Vorstellung war er bereits der leuchtende Held: Mit einem mächtigen Hieb, der Funken aus dem Drachenpanzer stieben ließ, schlug er dem Ungeheuer in seiner Einbildung den Hals auf. Die Bestie schrie gellend, und er, Bjornar, stürzte sich heldenhaft vor seine Gefährten, um sie zu retten.
In Wahrheit war es ein beiläufiger Schwanzschlag des Wyrms, der ihn in hohem Bogen quer durch die Höhle schleuderte. Kaum hatte er den Aufprall überstanden, packte ihn Rashka am Fell und zog ihn unter einen Felsvorsprung, bis der Zorn des Drachen sich anderswo entlud. Nur Bjornars wirrer Traum von ruhmreicher Rettung glomm weiter in seinen halb geschlossenen Augen.
Lizenz und Tribut
Lang gellte der Todeskampf der Bestie, die Helden – sehr große, wie sehr kleine – obsiegten im Verbund. Kaum hatten sich die Recken des vermeintlichen Triumphes erfreut, da erhob sich im Innern der gewaltigen Höhle ein neuer Tumult: Die Suromer traten auf – seltsame Gestalten, deren finstre Anmut so gar nicht in die glühendkalten Tiefen passen wollte. Sie verlangten lautstark mächtigen Zoll und der wilde Jungen hörte ehrfürchtig, dass ihnen der mystische „Zenzil“ gezeiget werden solle und man den „Burtris“ übergeben würde – einer riss dem Bjornar seinen Beutesack aus der Hand, voll mit Gedärm der Dickwänster, die er noch Vortags erschlagen hatte. Die selbstherrlichen Suromer verlangten Könige zu sprechen, führten gebrochene Verträge zu Feld und wollten wundgeschlagene Gefangene machen und gierten nach dem hart errungnen Heldengold.
Bjornar aber, noch halb benommen vom Kampfgetöse, verharrte in ehrfürchtigem Staunen. So sehr erinnerte ihn ihre unheilkündende Erscheinung an die Monster seiner Märchen, dass er den Blick nicht abwenden konnte. Besonders groß war sein Erstaunen, als er ein schlankes, mit Obsidianschuppen bedecktes Ungetüm erblickte – einen Drachen, der tatsächliche Worte sprach und sein Haupt wie ein Despot über der Versammlung erhob.
„Ey, schau an, du Drache, du! Dir gehört eyn Suromer oda umjekehrt?“ so purzelten Bjornars Gedanken aus seinem Munde und er wunderte sich, ob er sich auch mit diesem gewaltigen Wesen befreunden könne, wie es ihm so mühelos mit seinen Bärenbrüdern gelingt.
Noch unheimlicher war jedoch der Anführer dieser Schar, ein Wesen halb Mensch, halb Wirbelsturm, dessen wild tanzender Unterleib krachend gegen die Felswände peitschte. Bjornar nannte ihn für sich die „Windhose“, denn genau so war der ja gekleidet, und in seinem Geist verband sich diese Anrede mit der donnernden Stimme des Suromers, der forderte, man möge sich beugen und die ganze Beute der Drachenjagd abtreten.
Zuletzt zog Bjornar baff die Augenbrauen hoch, als er zwischen den Kämpfern eine Frau mit blutigschwarzen, ledrigen Schwingen erblickte, wie ein dämonisches Abbild einer Harpyie, doch weit verführerischer. Sie stellte unmögliche Forderungen, begehrte Gold und Unterwerfung, und ihre Stimme hallte wie verdorbener Honig durch die klaffende Höhle. Den wenigen Gefährten der Dvergar, die noch im Drachenhort standen, drohten die Suromer schon mit Enthauptung, doch Bjornar vernahm davon nur bruchstückhaft. Zu sehr war er gefangen in der wohlig-schaurigen Vision, eine schrecklich schöne Schar aus seinen Legenden leibhaftig vor sich zu sehen, halb bewundernd, halb entsetzt.
Allein mit dem Schwarzalb
Mit Worten der Macht riss die Windhose das Gefüge der Welt auseinander und so rasch wie sie kamen verschwand die Schar der Suromer durch einen Spalt aus blauem Licht. So fand sich Bjornar plötzlich allein in einer düsteren Nische der verwüsteten Höhle wieder. Neben dem toten Wyrmkadaver regte sich nur eine schlanke Gestalt, die fast mit der Schwärze der Wände verschmolz: ein Svartalf, dessen lange, spitze Ohren unter einem dunklen Kapuzenumhang hervorlugten. Ein seltsames Flackern glitt über dessen bleiches Antlitz, als er mit weicher Stimme sprach:
„Komm mit mir in die Tiefen des Unterreiches. Dort wartet mehr Schönheit, als selbst dein Träumerauge es je erfassen könnte. Komm folg, ich leg dich in Ketten – oder sperre dich in ein Labyrinth, aus dem kein Sterblicher zurückkehrt.“
„Eyn freundlich Gasthus habt ihr nich, da drunnen? So wie beym Nordvolk, mit herzlichem Kommwillen und viel fettig Fressn? Das würd‘ mir wohl gudfallen!“ fragte Bjornar hoffnungsvoll und um ein Haar wär er mitgegangen.
„Doch, wir haben eins, nur ist es sehr klein; gerade mal einen Fuß breit und einen lang“ erwiderte der Alb.
Bjornar betrachtete das Schuwerk des Wichtels: „Hast recht winzge Füßchen‘“, sagte Bjornar und schluckte hart. Sein Blick fiel auf den funkelnden Stahlring, den der Fremde in seinen Händen hielt.
„Jeg sag ney! mag keene Kettn nich! Schon drinnensteck in der Höhle hierda, das iss jau schon Gefängnis genug… Eyn garstig Drachen lauert vorm Ausgang. Meyn Freundsippe iss fort und hier kimm jeg allein niemals nich raus!“
Der Dunkelelf lächelte kalt und trat über die schuppigen Überreste des Wyrms, als wäre dies sein angestammtes Reich. Dasselbe unheimliche Funkeln blitzte in seinen Augen, als er Bjornar mit einer kaum merklichen Geste bedeutete, ihm zu folgen. Und obwohl das Wort „Labyrinth“ immer noch wie ein drohendes Echo in Bjornars Ohren klang, beschloss er, der dunklen Gestalt zu vertrauen – mehr aus Furcht vor der endlosen Finsternis als aus echter Überzeugung.
Wenig später schälten sie sich durch zerborstene Gänge und glitschige Felsrisse einem schmalen Ausgang entgegen. Dort lauerte die Gestalt eines grausigen Drachen, garstige Brut des Wyrm, der über verkohlten Stein glitt und in seiner Blutgier den Blick nicht von den beiden Neuankömmlingen ließ. Unvermittelt stürzte der Svartalf sich vor, seine gekrümmten Klingen blitzten im rötlichen Schein, und ein kurzer Hauch sengender Flammen erhitzte die freie Luft des Höhlenausgangs.
Bjornar, dessen Herz bei dem Anblick wilder Kampfeskunst aufs Neue in stolzer Begeisterung pochte, wagte kaum zu atmen. Unschlüssig umklammerte er seine Axt. Noch wusste er nicht, ob er dem Dunkelelf zu Hilfe eilen oder fliehen sollte. In seiner Brust jedoch mischten sich Staunen und Ehrfurcht, denn selten hatte er ein so graziöses wie tödliches Schauspiel erblickt – als wäre die Dunkelheit selbst zum Tanze angetreten, um Feuer und Stahl zu trotzen.
Furioses Finale: Schelte für den Helden
Kaum hatte der Svartalf sich dem Drachen entgegengeworfen, als Bjornar – in seinem gewohnt ungestümen Eifer – ihm zu Hilfe eilen wollt. Doch eine lodernde Flammenwand kostete ihm fast Luft und Leben, versperrte seinen Weg. Die Hitze brannte ihm in den Lungen, und sein Blick verschwamm. Über all das Flammentosen drang ein weit entfernter Ruf an sein Ohr, ein Klang, der seine Brust erzittern ließ:
„Bjornar! Bist du da? Wo steckst, Kerl? Komm her, Junge!“
Das war Tarabasch, sein Freund und Lehrmeister an der Axt. Die Panik und Sorge in der Stimme, gefiel dem Jungen wohl. Mit neuer Hoffnung fasste Bjornar das Heft von Haunseloh fester, stürmte vor und rief:
„Befreiung! Drachenodem her und hin – Bjornar kennt keyne Angstfurcht nich! Jeg komm, jeg komm!“
Er preschte los, sprang durch die Wand aus Funken und Glut, als wolle er sich selbst ins Herz des Feuers stürzen. In seiner Vorstellung war er der unbesiegbare Held, der dem Svartalf Schutz bot und das Ungeheuer mit einem einzigen Streich fällte. Die Wirklichkeit indes war viel weniger glorreich: Ein wuchtiger Flammenstoß traf ihn, schleuderte ihn weit über die Kante der zerborstenen Felsenbrücke hinaus. Für einen kurzen, schwebenden Augenblick glaubte er tatsächlich, er flöge dem Drachen davon.
Dann landete er ruckartig in einem dichten Knäuel aus Armen und Fellmänteln – seine Gefährten, Zwerge und Hünen, hatten ihn gerade noch rechtzeitig aufgefangen. Zwischen angekokelten Bärten, verbissenen Gesichtern und hastigen Flüchen zogen sie ihn vom Schlund der Höhle fort, den brüllenden Drachen im Rücken.
Erst als sie Fjellgatt erreichten, fiel die ganze Aufregung von allen ab. Die Krieger, noch bebend vor Zorn und Furcht, wollten Bjornar ermahnen, es hagelte Schelte und Kopfnüsse. „Unglaubliches Glück hast gehabt, Kerl, dassde noch am Leben bist!“ tobte Tarabasch.
Doch Bjornar saß bereits am knisternden Feuer, zog seine versengten Stiefel aus und lächelte selig in die Flammen, als wäre er soeben aus einem rühmlichen Festmahl zurückgekehrt.
„Ah, so bra der Tag,“ murmelte er behaglich und ließ die Hitze an seinen bloßen Füßen emporsteigen. „Große Abenteuer… Bjornar iss müdig jetz, aber das Herz ist frohsinnig. Jau, ein echter Glücklichtag!“, sagte er mit einem riesigen Grinsen.
Wohl keiner seiner Gefährten begriff, wie er angesichts solcher Schrecken solch heiteren Sinn bewahren konnte. Und doch saßen Johtar und Lehrmeister bald um ihn herum und lauschten atemlos, während er mit blühender Naivität berichtete, wie er den Tag in Glanz und Ehre vollbracht habe. All das Unheil, das ihnen widerfahren war, erschien in seinem Traumgewand beinahe wie eine heldenhafte Legende.
Epilog
Und so hockt Bjornar nun am flackernden Feuer, in eine Decke aus zerschlissenen Fellen gehüllt, und betrachtet die verkohlten Reste seines jüngsten Abenteuers mit einem seligen Schmunzeln. Es ist ihm, als weile er in jenem eigenwilligen Zwischenreich, wo sich Wirklichkeit und Traum umschlingen, bis sie eins werden. Sollte es dem Schicksal je gefallen, ihm die Erinnerungen an jene Drachenflammen, an finstere Labyrinthe, unheilvolle Gestalten und jene halbwahren Wunder zu nehmen, so hofft er doch, wenigstens seine Träume zu behalten. Denn ohne sie, so meint er, wäre ihm das Leben so öde wie der Schnee ohne Spuren. Wäre ihm hingegen beschieden, sich ganz in den weiten Ahnensagen zu verlieren, so würde er in trunkenem Eifer jenen alten Stimmen lauschen, die ihn einst in den Wäldern riefen.
Wer aber zum Lagerfeuer tritt und ihn ermahnen möchte, mit klarerem Geist in die kommende Schlacht zu gehen, den fänden dieselben tückischen Worte wie jenen, der Don Quijote bitten wollte, Vernunft zu bewahren: Kein Maß an kluger Rede vermag das Herz jenes zu heilen, der die süße Wahnhaftigkeit des Abenteuers über alles andere stellt. So bleibt Bjornar, der junge Barbar, in seiner Wildnis aus Großmut und Fantasie gefangen, während die Nacht sich langsam über Fjellgatt senkt – genau wie einst, als man ihn kaum anders denn über ein paar vorwitzige Heldengeschichten grübeln sah. Und am Ende erinnert er uns daran, was wir zu Beginn wohl ahnten: Ein kühner Geist, der in Sagen lebt, kann eher den Frost der Berge besiegen als die fiebrige Glut seiner eigenen Sehnsüchte.
Der Barbarenbär, keiner hilft wie er
Es rast der Bjorn durch Wald und Kluft,
Umwoben von Harpyen-Duft.
„Hey, Solveig! Schau, jeg bringel dir
eyn Federheer – ganz ohne Tier!“
Mit Stolz geschwellt, die Faust voll Pracht,
Zerrt er den Sack zur Lagerstatt.
Doch ach, die Truh‘ ist eng und klein –
Bjorn stopft, als ging es allhinein!
Wumm! Der Sack platzt, Federn fliehn,
Ein Sturm aus Flaum bricht wild herein.
Sie kitzeln Nase, Ohr und Bauch,
Bjorn schnaubt und prustet: „Donnerhauch!“
Solveig, die Bognerin, lacht hell:
„Das ist kein Sack, das ist ein Quell!“
Doch Bjorn, entschlossen, greift noch mal –
Und wirbelt Federn durch den Saal.
Ein Federdrache faucht und bläht,
Umklammert ihn wie Höllenpest.
Bjorn brüllt und boxt, doch weich die Macht –
Daunenodem tanzt im Lichterfest.
„Zu Hülf, Solveig! Ich fang es nicht!“
Sie, die stetig Ordnung schafft,
Wirft Laken, Decken und sie lacht,
Es wirbelt, tanzt ein flausch’ger Streit,
die Zwei obsiegen --- nach langer Zeit!
Die Luft erstickt in weißem Flor,
Bjorn stolpert, Solveig taumelt vor.
Sie purzeln durch den Federsee,
Gekitzelt bis zum „Hör doch auf!“.
Doch plötzlich – Stille. Staub gesät,
Ein Schnee aus Samt deckt Lager, Zelt.
Erschöpft, doch glücklich, rote Wangen:
„Das Monster … hab’n wir … doch … gefangen!“
Und während sich die Federn legen,
Grinst Bjorn: „Andernmals, da nehm’ jeg Fässer!“
Solveig, sanft, denkt, ‚Jau, das wär wohl besser‘,
„Schau doch – darnieder liegt dein Mantel eben.“
So endet stets der Bärenmut:
Mit Chaos, Lachen, Federnflut.
Denn wer so tapsig hilft wie er,
Braucht keine Harpy’n – nur viel Mehr!
Umwoben von Harpyen-Duft.
„Hey, Solveig! Schau, jeg bringel dir
eyn Federheer – ganz ohne Tier!“
Mit Stolz geschwellt, die Faust voll Pracht,
Zerrt er den Sack zur Lagerstatt.
Doch ach, die Truh‘ ist eng und klein –
Bjorn stopft, als ging es allhinein!
Wumm! Der Sack platzt, Federn fliehn,
Ein Sturm aus Flaum bricht wild herein.
Sie kitzeln Nase, Ohr und Bauch,
Bjorn schnaubt und prustet: „Donnerhauch!“
Solveig, die Bognerin, lacht hell:
„Das ist kein Sack, das ist ein Quell!“
Doch Bjorn, entschlossen, greift noch mal –
Und wirbelt Federn durch den Saal.
Ein Federdrache faucht und bläht,
Umklammert ihn wie Höllenpest.
Bjorn brüllt und boxt, doch weich die Macht –
Daunenodem tanzt im Lichterfest.
„Zu Hülf, Solveig! Ich fang es nicht!“
Sie, die stetig Ordnung schafft,
Wirft Laken, Decken und sie lacht,
Es wirbelt, tanzt ein flausch’ger Streit,
die Zwei obsiegen --- nach langer Zeit!
Die Luft erstickt in weißem Flor,
Bjorn stolpert, Solveig taumelt vor.
Sie purzeln durch den Federsee,
Gekitzelt bis zum „Hör doch auf!“.
Doch plötzlich – Stille. Staub gesät,
Ein Schnee aus Samt deckt Lager, Zelt.
Erschöpft, doch glücklich, rote Wangen:
„Das Monster … hab’n wir … doch … gefangen!“
Und während sich die Federn legen,
Grinst Bjorn: „Andernmals, da nehm’ jeg Fässer!“
Solveig, sanft, denkt, ‚Jau, das wär wohl besser‘,
„Schau doch – darnieder liegt dein Mantel eben.“
So endet stets der Bärenmut:
Mit Chaos, Lachen, Federnflut.
Denn wer so tapsig hilft wie er,
Braucht keine Harpy’n – nur viel Mehr!
Re: Bjornar
Wiedermal ein Querverweis zu einem Abenteuer von Bjornar und Yngvildr
Das Ding mit den Grenzschildern
Das Ding mit den Grenzschildern
Re: Das Branzel
Bjornar branzelt
Die Luft roch nach Harz und Feuer. Irgendwo in den dunklen Baumkronen flatterte eine Eule, ihr Ruf wurde vom Trommeln verschluckt, das wie der tiefe Herzschlag der Erde war. Überall im Wald waren die Bären unruhig, denn sie spürten, es war ein besonderer Tag. Nach vieler Politik zwischen Zwergen und Barbaren, war nun Bjornars große Zeit gekommen: Er stand mitten im Kreis der hühnenhaften Männer und Frauen von Thrymm’tack, tropfnass, aufgeregt, mit funkelnden Augen.
„Bjornar, Jung, geh her da!“ brummte Haldron, der Schamane.
Bjornar riss die Arme hoch, als hätte er gerade einen Fisch gefangen. „Jau!“ Dann blieb er stehen. „Äh… wohin genau?“
Tarabasch Hagarsson, der mächtige Krieger mit der Stimme eines rollenden Donners, schnaufte und deutete vor sich. „Kimm her!“
Bjornar hüpfte auf einen Stein. „Da?“
„DA!“
„Ahh.“ Er kam vor in seinem halb tierischen Tapsen, blieb stehen, sog die Luft ein und drehte sich im Kreis, um alle freundlich anzuschauen.
„Leg da Rystung ab,“ knurrte Tarabasch.
Bjornar machte sich an seinen ‚Hartpelzen‘ zu schaffen. Rüstung? Aber wo fing die Rüstung an und hörten die Pelze auf? Also zog er einfach alles aus. Seine Jagdhose, seine Fellweste, seine Armschienen. Da stand er nun, stolz und aufrecht und so frei wie im Wald.
Yngvildr betrachtete ihn ausgiebig. Thjondar, der Freund und Schamane, starrte auf Bjornar, verschränkte die Arme und brummte. Varkharn, der andere Neuling, blieb zutiefst unergründlich und verweilte mit reglosem Blick.
Haldron holte einen Zweig aus einer Schale mit Wasser und bespritzte Bjornar damit. Kalte Tropfen trafen seine Haut. Bjornar schüttelte sich, als hätte er gerade einen Schwarm Fliegen abgeschüttelt.
„Waschn bin jeg schon, machst mich noch sauberiger nu?“
Er wollte zurückspritzen, hielt sich aber grad so zurück.
„Mög da Wassa da Erd de rejnjgn!“
Bjornar blinzelte. „Dat tut’s. Sehr nassig ists.“
„Rejnjgn von all dem, wat de bschwert!“
Bjornar dachte nach. Er hatte eigentlich gar nichts Schweres dabei. Nur das Ding, das er mal in einer Höhle gefunden hatte. Und einen ziemlich großen Stein, den er aus irgendeinem Grund mochte. Und Haunseloh, die blutgierige Axt. Grad aber, da war ihm wirklich leicht zumute – kein Wunder, so wie er da stand, im Zentrum der Aufmerksamkeit.
Dann kam der Rauch. Haldron ließ ihn in Kreisen um Bjornars Kopf steigen, als wollte er ihn einwickeln. Bjornar schnupperte. Gut! Er sog die Luft tief ein – und begann fürchterlich zu husten.
„Hrmmh! … sehr… reinlichend… sehr tief in de Brust muss das, h-hm?“ sagte er mit tränenden Augen und hielt den Atem an.
Die Leute um ihn herum grinsten. Haldron aber blieb ernst. „Bjornar. Jung.“
Bjornar hörte auf zu husten und sah ihn mit glänzenden, leuchtenden, nicht mehr ganz fokussierten Augen an und hauchte: „...meyn S-j-a-m-a-n….“
„Heut is de Bransla. Wyr berejtn dejn Weg vor.“
Bjornar nickte begeistert. „…dat iss lieb.“
Tarabasch trat vor. Er legte eine schwere Hand auf Bjornars Schulter. Seine Stimme war warm, aber fest. „Dey bist mutig, stark wie de Bjarn, wild wie de Sturm. Abr was dey fehlt, iss Weishejt. Og Selbsbeherrschung.“
Bjornar ließ seine Brustmuskeln tanzen.
Tarabasch atmete tief durch. „Og dey musst lern, dejnen Kopf zu benutztn! Nejt nur in de Grube zum Vertejln von Kopfnüssn!“
Bjornar legte den Kopf schief. „Kopfnüssn sin gut. Alle freuen sich über Kopfnüssn.“
Haldron schüttelte seufzend den Kopf.
„Dey wirst nach Nebelhavn gehn,“ fuhr Tarabasch fort. „Dort werdn dey von de Handwerksmeister Davind, de Druidin Gwendolyn og de Alchemist Aanatus lernen, was et bedeudet, in ejner kultiviertn Stadt zu lebn!“
Bjornar runzelte die Stirn. „Stadt? So mit vieln Wichteln? Un bey den Kinners?“
„Jau.“
Bjornar dachte nach. „Un Futter hamm die genuch?“
„Jau.“
Bjornar nickte verständig. „Klingt veldig bra! Un jeg krig dann auch eyn Branzel?“
„Bransla!“ korrigierte Tarabasch, doch Bjornar winkte schon ab.
„So richtig losbranzeln, dat kann jeg gud!“
Er warf die Arme hoch und machte sich bereit zum Rennen. Er wusste genau, wo dieses Nebelhafen war, beobachtet er doch schon seit geraumer Zeit sehnsüchtig und heimlich das kleine Familienidyll beim Bund der Handwerker.
Tarabasch hielt ihn am Schopfe fest. „Dey darfst gehn, abr zieh dir noch ejnen Lendenschurz an, sonst lassen se dyg wahrscheinlch neyt Nebelhavn betretn.“
Bjornar schaute vergessen an sich herunter. „Wenn de meynst, dat das nötig tut? Will ja niemanden verschreckern…“
Er zog sich – noch immer war es ihm eine Mühe – den Schurz über. Dann hüpfte er einmal in die Luft, winkte den Umstehenden wild zu und brüllte aus voller Kehle:
„DAS WIRD GUD, IHR LIEBIGEN! BIS BALDIG!“
Dergestalt „branzelte“ Bjornar los, ohne sich umzusehen, ohne über das Morgen nachzudenken – denn seine Pfoten, seine Muskeln und sein Herz sagten ihm, dass der Weg vor ihm lag. Und das war alles, was er brauchte.
Und vielleicht etwas süßen Brei.
Und das Geschrei der Frauen und Kinder.
Er freute sich mit ganzer Seele darauf und in Nebelhafen, da wartete man wohl schon auf ihn, so hoffte er, mit einem feinen, feinen „Minzbärentee“.
So also kam es, dass der Hühne aus Fjellgatt mit dem großen Herzen und mächtigen Gefühlen in Nebelhafen anzutreffen ist.
Wer kann schon sagen, wie lang er dort wohl „branzeln“ wird….?
Die Luft roch nach Harz und Feuer. Irgendwo in den dunklen Baumkronen flatterte eine Eule, ihr Ruf wurde vom Trommeln verschluckt, das wie der tiefe Herzschlag der Erde war. Überall im Wald waren die Bären unruhig, denn sie spürten, es war ein besonderer Tag. Nach vieler Politik zwischen Zwergen und Barbaren, war nun Bjornars große Zeit gekommen: Er stand mitten im Kreis der hühnenhaften Männer und Frauen von Thrymm’tack, tropfnass, aufgeregt, mit funkelnden Augen.
„Bjornar, Jung, geh her da!“ brummte Haldron, der Schamane.
Bjornar riss die Arme hoch, als hätte er gerade einen Fisch gefangen. „Jau!“ Dann blieb er stehen. „Äh… wohin genau?“
Tarabasch Hagarsson, der mächtige Krieger mit der Stimme eines rollenden Donners, schnaufte und deutete vor sich. „Kimm her!“
Bjornar hüpfte auf einen Stein. „Da?“
„DA!“
„Ahh.“ Er kam vor in seinem halb tierischen Tapsen, blieb stehen, sog die Luft ein und drehte sich im Kreis, um alle freundlich anzuschauen.
„Leg da Rystung ab,“ knurrte Tarabasch.
Bjornar machte sich an seinen ‚Hartpelzen‘ zu schaffen. Rüstung? Aber wo fing die Rüstung an und hörten die Pelze auf? Also zog er einfach alles aus. Seine Jagdhose, seine Fellweste, seine Armschienen. Da stand er nun, stolz und aufrecht und so frei wie im Wald.
Yngvildr betrachtete ihn ausgiebig. Thjondar, der Freund und Schamane, starrte auf Bjornar, verschränkte die Arme und brummte. Varkharn, der andere Neuling, blieb zutiefst unergründlich und verweilte mit reglosem Blick.
Haldron holte einen Zweig aus einer Schale mit Wasser und bespritzte Bjornar damit. Kalte Tropfen trafen seine Haut. Bjornar schüttelte sich, als hätte er gerade einen Schwarm Fliegen abgeschüttelt.
„Waschn bin jeg schon, machst mich noch sauberiger nu?“
Er wollte zurückspritzen, hielt sich aber grad so zurück.
„Mög da Wassa da Erd de rejnjgn!“
Bjornar blinzelte. „Dat tut’s. Sehr nassig ists.“
„Rejnjgn von all dem, wat de bschwert!“
Bjornar dachte nach. Er hatte eigentlich gar nichts Schweres dabei. Nur das Ding, das er mal in einer Höhle gefunden hatte. Und einen ziemlich großen Stein, den er aus irgendeinem Grund mochte. Und Haunseloh, die blutgierige Axt. Grad aber, da war ihm wirklich leicht zumute – kein Wunder, so wie er da stand, im Zentrum der Aufmerksamkeit.
Dann kam der Rauch. Haldron ließ ihn in Kreisen um Bjornars Kopf steigen, als wollte er ihn einwickeln. Bjornar schnupperte. Gut! Er sog die Luft tief ein – und begann fürchterlich zu husten.
„Hrmmh! … sehr… reinlichend… sehr tief in de Brust muss das, h-hm?“ sagte er mit tränenden Augen und hielt den Atem an.
Die Leute um ihn herum grinsten. Haldron aber blieb ernst. „Bjornar. Jung.“
Bjornar hörte auf zu husten und sah ihn mit glänzenden, leuchtenden, nicht mehr ganz fokussierten Augen an und hauchte: „...meyn S-j-a-m-a-n….“
„Heut is de Bransla. Wyr berejtn dejn Weg vor.“
Bjornar nickte begeistert. „…dat iss lieb.“
Tarabasch trat vor. Er legte eine schwere Hand auf Bjornars Schulter. Seine Stimme war warm, aber fest. „Dey bist mutig, stark wie de Bjarn, wild wie de Sturm. Abr was dey fehlt, iss Weishejt. Og Selbsbeherrschung.“
Bjornar ließ seine Brustmuskeln tanzen.
Tarabasch atmete tief durch. „Og dey musst lern, dejnen Kopf zu benutztn! Nejt nur in de Grube zum Vertejln von Kopfnüssn!“
Bjornar legte den Kopf schief. „Kopfnüssn sin gut. Alle freuen sich über Kopfnüssn.“
Haldron schüttelte seufzend den Kopf.
„Dey wirst nach Nebelhavn gehn,“ fuhr Tarabasch fort. „Dort werdn dey von de Handwerksmeister Davind, de Druidin Gwendolyn og de Alchemist Aanatus lernen, was et bedeudet, in ejner kultiviertn Stadt zu lebn!“
Bjornar runzelte die Stirn. „Stadt? So mit vieln Wichteln? Un bey den Kinners?“
„Jau.“
Bjornar dachte nach. „Un Futter hamm die genuch?“
„Jau.“
Bjornar nickte verständig. „Klingt veldig bra! Un jeg krig dann auch eyn Branzel?“
„Bransla!“ korrigierte Tarabasch, doch Bjornar winkte schon ab.
„So richtig losbranzeln, dat kann jeg gud!“
Er warf die Arme hoch und machte sich bereit zum Rennen. Er wusste genau, wo dieses Nebelhafen war, beobachtet er doch schon seit geraumer Zeit sehnsüchtig und heimlich das kleine Familienidyll beim Bund der Handwerker.
Tarabasch hielt ihn am Schopfe fest. „Dey darfst gehn, abr zieh dir noch ejnen Lendenschurz an, sonst lassen se dyg wahrscheinlch neyt Nebelhavn betretn.“
Bjornar schaute vergessen an sich herunter. „Wenn de meynst, dat das nötig tut? Will ja niemanden verschreckern…“
Er zog sich – noch immer war es ihm eine Mühe – den Schurz über. Dann hüpfte er einmal in die Luft, winkte den Umstehenden wild zu und brüllte aus voller Kehle:
„DAS WIRD GUD, IHR LIEBIGEN! BIS BALDIG!“
Dergestalt „branzelte“ Bjornar los, ohne sich umzusehen, ohne über das Morgen nachzudenken – denn seine Pfoten, seine Muskeln und sein Herz sagten ihm, dass der Weg vor ihm lag. Und das war alles, was er brauchte.
Und vielleicht etwas süßen Brei.
Und das Geschrei der Frauen und Kinder.
Er freute sich mit ganzer Seele darauf und in Nebelhafen, da wartete man wohl schon auf ihn, so hoffte er, mit einem feinen, feinen „Minzbärentee“.
So also kam es, dass der Hühne aus Fjellgatt mit dem großen Herzen und mächtigen Gefühlen in Nebelhafen anzutreffen ist.
Wer kann schon sagen, wie lang er dort wohl „branzeln“ wird….?